Expertenautorität vs. Empathie: Vertrauen in der Healthcare-Kommunikation

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Lesedauer: 8 Minuten 

Eine Analyse des Edelman Trust Barometer Special Report 2025: Trust and
Health

Dieser Artikel basiert auf dem Edelman Trust Barometer Special Report 2025 „Trust and Health“, einer weltweiten Studie mit über 16.000 Befragten in 16 Ländern, darunter auch Deutschland. Als Agentur für Healthcare-Kommunikation und -Marketing analysiert Dr. Kaske GmbH & Co. KG die Erkenntnisse und deren Bedeutung für die Pharma- und Gesundheitsbranche. Alle Daten und Statistiken stammen aus dem genannten Report von Edelman.

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GRAVIERENDER VERTRAUENSVERLUST IN DER GESUNDHEITSKOMMUNIKATION

Die Gesundheitsbranche befindet sich in einer strukturellen Vertrauenskrise, die alle Bevölkerungsschichten erfasst. Der Edelman Trust Barometer Special Report zu Gesundheit und Vertrauen 2025 offenbart eine fundamentale Verschiebung in der Art, wie Menschen Gesundheitsentscheidungen treffen – mit weitreichenden Konsequenzen für jeden, der in dieser Umgebung kommunikativ agiert.

Die spannenden Erkenntnisse aus der Befragung können helfen, zukünftige PR- und Marketingkampagnen den aktuellen Bedürfnissen von Zielgruppen anzupassen – vor allem jedoch, stellen sie klar heraus, dass solche Anpassungen in der Gesundheitskommunikation kein nettes Entwicklungspotential, sondern eine Notwendigkeit sind.

Die Ergebnisse der weltweiten Edelman-Studie zeigen, dass keine einzige Institution noch mehrheitlich als vertrauenswürdig wahrgenommen wird, wenn es um Gesundheitsbelange geht. Während Unternehmen noch am besten abschneiden (53 % Vertrauen), kämpfen NGOs (50 %), Regierungen (46 %) und Medien (45 %) mit erheblichen Vertrauensdefiziten.

In Deutschland glaubt eine Mehrheit von 57 %, dass Unternehmen, Regierungen und NGOs sogar aktiv die Möglichkeiten des Einzelnen beeinträchtigen, eine hochwertige Gesundheitsversorgung zu erhalten. Führungspersonen in Wirtschaft und Regierung, ebenso wie Journalisten wird Misstrauen in ähnlichem Ausmaß entgegengebracht.

Das Vertrauen in die Medien, akkurate Informationen zu Gesundheitsthemen zur Verfügung zu stellen ist 2025 wieder signifikant gesunken. Nur noch 37 % der Befragten in Deutschland verlassen sich auf Informationen zu Krankheiten, Behandlungsmöglichkeiten und Prävention, die sie aus den Medien erhalten.

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    VERTRAUENSHIERARCHIE BEI HEALTHCARE-THEMEN: LOKAL UND PERSÖNLICH GEWINNT

    Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Reports: Vertrauen lokalisiert sich. Während globale Gesundheitsorganisationen und Experten an Einfluss verlieren, steigt das Vertrauen in nahbare Quellen zu Gesundheitsthemen.

    • 82% vertrauen ihrem Arzt – der einzige Gesundheitsakteur, der noch breites Vertrauen genießt. Dementsprechend steigt in zweiter Instanz die Bedeutung qualitativer Fachkommunikation durch Pharma-Unternehmen, um Ärzte als Meinungsbildner für Ihre Themen zu gewinnen.
    • 72% vertrauen Freunden und Familie bei Gesundheitsfragen – für Kommunikation und Marketing bedeutet das ein strategisches Mitdenken des familiären Umfelds, Potentiale in der Lenkung von Word-of-Mouth-Marketing sowie in der Förderung von Patienten-Communities, um positive Therapieerfahrungen weiterzugeben. Zufriedene Nutzer und Patienten gehören nach wie vor zu den wichtigsten Multiplikatoren.
    • Eine neutrale bis misstrauische Haltung erfahren die übrigen Gruppen: 53 % vertrauen Führungspersonen von Gesundheits-NGOs, 49 % vertrauen Führungskräften in Politik und Pharmaindustrie, 42 % vertrauen Journalisten.
     

    Die persönliche Kommunikation geht hier als deutlicher Gewinner hervor, und offenbart damit Potentiale, um sich als Unternehmen der Gesundheitsbranche in das Gespräch einzubringen. Die Ergebnisse zeigen deutlich die Relevanz von Ärzten und Patienten als Meinungsbildner sowie eine Notwendigkeit, in den Medien präsent zu sein, in denen der persönliche Erfahrungsaustausch stattfindet – wie sich zeigen wird, gilt das insbesondere (aber nicht ausschließlich) für jüngere Zielgruppen.

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    JUNGE MENSCHEN IGNORIEREN FACHLICHE AUTORITÄT

    Ein spannender Wandel vollzieht sich aktuell bei jungen Menschen zwischen 18 und 34 Jahren. Diese Generation bildet sich ihre Meinung zu Gesundheitsthemen auf Grundlage von teilweise ungesicherten Informationen, die sie jenseits der konventionellen Healthcare-Kanäle (z.B. Gespräch mit dem Arzt) erreichen.

    • 45 % dieser jüngeren Gruppe glauben, dass Durchschnittsmenschen mit eigener Recherche genauso viel wissen können wie ein Arzt (verglichen mit nur 23% der über 55-Jährigen).
    • 58 % haben bereits Gesundheitsentscheidungen bereut, die auf Fehlinformationen basierten – der Befragung zufolge, handelte es sich dabei um falsche Informationen aus Plattformen für User-Generated-Content (von Nutzern generierte Inhalte), Inhalte unabhängiger Content-Creator, Gespräche mit Freunden und Familien sowie traditionelle und soziale Medien.
    • 45 % ignorierten im letzten Jahr den Rat ihres Arztes zugunsten von Freunden und Familie, 38 % folgten Social Media-Ratschlägen statt ärztlichen Empfehlungen.
     

    Diese Umfragewerte zeigen einen fundamentalen Wandel im Informations- und Entscheidungsverhalten junger Patienten, der das traditionelle Arzt-Patienten-Verhältnis grundlegend in Frage stellt. Healthcare-Anbieter müssen ihre Kommunikationsstrategie neu ausrichten und verstärkt dort mit qualitätsgesicherten Informationen präsent sein, wo junge Menschen Gesundheitsinformationen suchen – auch in digitalen und sozialen Medien. Es ist notwendig, vertrauenswürdige, leicht verständliche Inhalte anzubieten und aktiv Fehlinformationen entgegenzuwirken. Die hohe Quote an bereuten Gesundheitsentscheidungen unterstreicht die Dringlichkeit, eine Brücke zwischen klassischer medizinischer Expertise und den neuen Informationsbedürfnissen der jüngeren Generation zu schlagen.

    Die strikte Regulierung der Gesundheitskommunikation durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) steht zunehmend im Spannungsfeld mit dem realen Informationsverhalten junger Menschen. Während das Gesetz die direkte Kommunikation von verschreibungspflichtigen Medikamenten und Behandlungen an Endverbraucher untersagt und Fachkommunikation dem medizinischen Personal vorbehält, suchen und finden junge Menschen diese Informationen längst über alternative, oft unregulierte Kanäle wie Social Media oder internationale Quellen. Dies führt zu einem paradoxen Zustand: Einerseits soll die Bevölkerung durch das HWG vor unseriöser Gesundheitswerbung geschützt werden, andererseits konsumieren junge Menschen dann stattdessen unkontrollierter Informationsquellen. Healthcare-Akteure stehen damit vor der Herausforderung, innerhalb des rechtlichen Rahmens neue Wege der vertrauenswürdigen Gesundheitskommunikation zu entwickeln, etwa durch Disease Awareness Kampagnen oder qualifizierte medizinische Präsenz in sozialen Medien, um nicht die Informationshoheit komplett an unregulierte Quellen zu verlieren.

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    EXPERTISE BLEIBT EINE AUTORITÄT, ABER EMPATHIE KANN NOCH MEHR

    Um in Person als legitime Stimme der Gesundheitskommunikation wahrgenommen zu werden, spielt eine formale akademische Ausbildung noch immer eine große Rolle, sagen zumindest 72 % der Befragten. Doch persönliche Erfahrungen mit Gesundheitsproblemen (67 %) sowie vergangene hilfreiche Ratschläge (64 %) verleihen Stimmen in der Healthcare-Kommunikation fast gleichwertiges Gewicht.

    Gerade die Personen, die auf Menschen ohne medizinische Ausbildung hören (34 %), verraten uns, was die Grundlage ihres Vertrauens ist. Warum wenden sie sich zunehmend an „unglaubwürdige“ Stimmen? Weil diese bieten, was traditionelle Experten oft vermissen lassen: Empathie.

    Als Top 5 der Trust-Faktoren identifiziert der Edelman Report folgende Eigenschaften und Leistungen der Healthcare-Kommunikatoren ohne medizinische Ausbildung:

    1. Empathie für die persönliche Situation
    2. Direkte Erfahrungen mit persönlichem Problem
    3. Wissen über Gesundheitsfragen, die „Menschen wie mich“ betreffen
    4. Verständliche Erklärungen
    5. Zugänglichkeit/Bequemlichkeit der Interaktion
     

    Während das medizinische Fachwissen weiterhin als wichtige Grundlage anerkannt wird, zeigt sich, dass erfolgreiche Gesundheitskommunikation heute eine Kombination aus Expertise und emotionaler Intelligenz sowie ein Verständnis für die Bequemlichkeit der Zielgruppen erfordert. Die hohe Bewertung von persönlichen Erfahrungen und der Fokus auf Empathie als wichtigsten Vertrauensfaktor verdeutlichen: Menschen suchen nicht nur nach medizinischer Kompetenz, sondern nach einem ganzheitlichen Verständnis ihrer Situation. Die traditionelle „Autorität durch Wissen“ wird zunehmend durch eine „Autorität durch Verständnis“ ergänzt.

    Für Healthcare-Kommunikatoren bedeutet dies, dass sie neben ihrer fachlichen Expertise verstärkt auf emotionale Zugänglichkeit, verständliche Kommunikation und authentische Nähe zum Patienten setzen müssen, um als glaubwürdige Quelle wahrgenommen zu werden.

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    GROSSES SELBSTVERTRAUEN IN DER INFORMATIONS-FLUT

    Obwohl immer mehr Akteure mit und ohne medizinischen Hintergrund zu Gesundheitsthemen kommunizieren, steigt das Selbstvertrauen beim Navigieren von Gesundheitsinformationen: 76 % aller Befragten fühlen sich sicher darin, vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen selbst zu finden.

    Gleichzeitig konsumieren insbesondere junge Menschen Gesundheitscontent in nie dagewesener Intensität und nehmen aktiv an dem entstehenden Diskurs Teil: 67 % der 18-34-Jährigen geben an, monatlich oder öfter traditionelle Gesundheitsmedien zu konsumieren. 48% teilen regelmäßig eigene Gesundheitserfahrungen online. 47% veröffentlichen eigene Gesundheitsmeinungen in sozialen Medien.

    Damit zeigt sich eine problematische Diskrepanz zwischen subjektiver Einschätzung und potenziellen Risiken: Während das Selbstvertrauen im Umgang mit Gesundheitsinformationen sehr hoch ist, steigt gleichzeitig die Menge an ungeprüften Gesundheitsinformationen durch User-Generated Content (von Nutzern erstellte Inhalte) dramatisch an.

    Besonders die jüngere Generation agiert dabei in einem Doppelrolle – als intensive Konsumenten und aktive Produzenten von Gesundheitsinformationen. Je mehr Menschen ihre persönlichen Gesundheitserfahrungen und -meinungen teilen, desto mehr potenziell unreflektierte oder falsche Informationen kursieren im System während gleichzeitig das überhöhte Selbstvertrauen in die eigene Bewertungskompetenz die kritische Reflexion dieser Informationen erschwert.

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    DER WEG NACH VORN: VIER STRATEGIEN FÜR DIE ZUKUNFT

    Der Edelman-Report identifiziert vier Strategien, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen:

    1.Hybride Einflussnahme akzeptieren

    Traditionelle medizinische Autoritäten müssen anerkennen, dass sie kein Monopol mehr auf Gesundheitsentscheidungen haben. Persönliche Erfahrungen sind genauso überzeugend wie Studien.

    2.Anekdoten in der Wissenschaftskommunikation

    Persönliche Geschichten sind nicht der Feind der Wissenschaft, sondern ihr Kommunikationskanal. Experten müssen lernen, wissenschaftliche Erkenntnisse durch persönliche Narrative zu vermitteln.

    3.Präsenz bei jüngeren Zielgruppen

    Institutionelle Stimmen müssen dort präsent sein, wo junge Menschen Gesundheitscontent konsumieren und erstellen – mit angemessener Frequenz und Relevanz

    4.Vertrauensnetzwerke aktivieren

    Da Menschen bei unzureichender professioneller Betreuung zu Freunden, Familie und Gleichgesinnten wenden, müssen Institutionen diese Netzwerke unterstützen.

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    INSPIRATION FÜR DIE PRAXIS

    Die Analyse des Edelman Trust Barometer Special Report 2025 zeigt eine fundamentale Vertrauenskrise im Gesundheitssektor, die einen Paradigmenwechsel in der Healthcare-Kommunikation erforderlich macht. Während traditionelle Institutionen mit erheblichen Vertrauensdefiziten kämpfen, gewinnen lokale und persönliche Informationsquellen – allen voran Ärzte und das persönliche Umfeld sowie die aus Nutzer-Sicht „bequemen“ Informationskanäle – zunehmend an Bedeutung.

    Besonders auffällig ist die Entwicklung bei jungen Menschen (18-34 Jahre), die verstärkt auf nicht-traditionelle Informationsquellen setzen und dabei sogar ärztlichen Rat zugunsten von Social Media-Empfehlungen ignorieren.

    Der Weg nach vorn erfordert einen hybriden Ansatz, der wissenschaftliche Expertise mit persönlichen Narrativen kombiniert, aktiv in relevanten (digitalen) Kanälen präsent ist und Vertrauensnetzwerke aufbaut. Erfolgreiche Gesundheitskommunikation der Zukunft muss dabei die Balance zwischen fachlicher Autorität und emotionaler Zugänglichkeit finden, um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen und neue Zielgruppen effektiv zu erreichen.

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    FAZIT: VON EXPERTISE ZU EMPATHIE

    Die Analyse des Edelman Trust Barometer Special Report 2025 zeigt eine fundamentale Vertrauenskrise im Gesundheitssektor, die einen Paradigmenwechsel in der Healthcare-Kommunikation erforderlich macht. Während traditionelle Institutionen mit erheblichen Vertrauensdefiziten kämpfen, gewinnen lokale und persönliche Informationsquellen – allen voran Ärzte und das persönliche Umfeld sowie die aus Nutzer-Sicht „bequemen“ Informationskanäle – zunehmend an Bedeutung.

    Besonders auffällig ist die Entwicklung bei jungen Menschen (18-34 Jahre), die verstärkt auf nicht-traditionelle Informationsquellen setzen und dabei sogar ärztlichen Rat zugunsten von Social Media-Empfehlungen ignorieren.

    Der Weg nach vorn erfordert einen hybriden Ansatz, der wissenschaftliche Expertise mit persönlichen Narrativen kombiniert, aktiv in relevanten (digitalen) Kanälen präsent ist und Vertrauensnetzwerke aufbaut. Erfolgreiche Gesundheitskommunikation der Zukunft muss dabei die Balance zwischen fachlicher Autorität und emotionaler Zugänglichkeit finden, um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen und neue Zielgruppen effektiv zu erreichen.

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    QUELLEN UND METHODIK

    • Edelman Trust Barometer Special Report 2025: Trust and Health
    • Feldarbeit: 4. bis 14. März 2025
    • Stichprobe: 16.000+ Befragte in 16 Ländern
     

    Diese Analyse stellt die Interpretation der Studienergebnisse durch Dr. Kaske GmbH & Co. KG dar und gibt nicht notwendigerweise die Ansichten von Edelman wieder.

    Text – Autor/in:

    Anna Mauder
    Senior PR Manager

    Veröffentlicht am:
    28.05.2025

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      Fabian-Kaske-2

      Fabian Kaske

      Managing Director

      Hi,

      ich bin Fabian und Managing Director von Dr. Kaske und in allen relevanten Projekten mit Herz und Seele involviert. Neben der Unternehmensführung promoviere ich extern an der Universität Augsburg zum Thema Online-Marketing-Kommunikation. Vor dem Einstieg in die väterliche Agentur sammelte ich Erfahrung in der Unternehmensberatung Oliver Wyman sowie bei Procter & Gamble. Davor absolvierte ich ein Managementstudium in Oestrich-Winkel (EBS), Singapur (NUS), Paris (ESCP) und Hong Kong (CUHK). Somit schuf ich mir die Voraussetzungen Experte in meinem Fachgebiet zu sein und gehe als gutes Beispiel für die Mitarbeiter voran.

      Funfact über Fabian: Als Kind hatte ich langes und strohblondes Haar – einige Frauen sind sicher neidisch gewesen. 

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